Neue Wege und bewährte Ziele – profitieren Sie im Sanitätsfachhandel vom Freiverkauf.
Die Sanitätshäuser verdienen gut mit Produkten im Freiverkauf. Das ergab eine Umfrage des Fachmagazins „GesundheitsProfi“ im Januar 2009. Bereits 16 Prozent der Sanitätshäuser generieren über 30 Prozent ihres Umsatzes mit Freiverkäufen. Gepaart mit kompetenter Beratungsleistung sind Freiverkauf, Cross-Selling und Zusatzverkauf der Schlüssel zu Erfolg und steigenden Umsätzen.
Der Freiverkauf kann als zweites Standbein des Sanitätshauses etabliert werden. Der Fachhandel positioniert sich als „Allrounder“, der seinen Kunden von der Genesung bis zur Gesundheitserhaltung kompetent zur Seite steht. Der Kunde benötigt oft mehr, als er verordnet bekommt. Wenn der Verkäufer das erkennt und hilfreiche Ergänzungsprodukte empfiehlt, profitieren Fachhandel und Kunden gleichermaßen davon. Eine kompetente Beratung und qualitative Zusatzprodukte sind ein Plus für die Gesundheit des Patienten und tragen zum Wohlbefinden bei.
Interview mit Beate Neugebauer
Beate Neugebauer arbeitet seit 2000 als Produktmanagerin beim Hilfsmittelhersteller medi. Dort verantwortet sie Freiverkaufsprodukte wie die Kompressionsstrümpfe mJ-1, Hautpflegeprodukte sowie die An- und Ausziehhilfen. Als zertifizierter Business Coach führte Beate Neugebauer im Rahmen des medi Campus bereits zahlreiche Schulungen, Verkaufstrainings und Seminare für Mitarbeiter in Sanitätshäusern durch. Im Interview beschreibt sie die Chancen und Herausforderungen des Freiverkaufs.
Frau Neugebauer, welche Chancen sehen Sie im Bereich Freiverkauf?
Der Freiverkauf ist ein geeignetes Instrument, um aktiv Kundenbindung zu betreiben. Hierbei verknüpft der Fachhändler das Rezeptgeschäft sinnvoll mit Zusatz- oder Zubehörartikeln, die die Therapie unterstützen. Der Kunde steht dabei immer im Mittelpunkt. Es ist sehr wichtig, dass der Fachhandel den Kassenbon durch den Freiverkauf verlängert, denn er muss verkaufen, um die Kostenprogression auffangen zu können.
Sie haben viele Seminare zum Thema Freiverkauf gegeben. Welche Hindernisse gibt es für Mitarbeiter in Sanitätshäusern, zu einem Rezept ergänzende Produkte zu verkaufen?
Manchmal steht sich der Verkäufer mit seiner eigenen Einstellung zum Verkauf im Weg. Zum Beispiel bemerke ich, dass die Sanitätshausmitarbeiter unsicher im Umgang mit dem Verkaufen sind. Sie haben Bedenken, dass der Kunde das Kaufangebot ablehnt, oder dem Kunden den Preis des Produktes zu nennen, obwohl das dazugehört. Aber auch die hohe Kundenfrequenz und damit verbunden das Thema Zeit sind ein Hindernis. Da ist es besonders wichtig, dass der Verkäufer Termine vergibt oder auch den Kunden bittet zu warten, damit er ihn richtig beraten kann.
Gehen die Mitarbeiter im Sanitätshaus das Thema Freiverkauf heute „lockerer“ an als in der Vergangenheit?
Teilweise kann man schon erkennen, dass sie lockerer an das Verkaufen herangehen. Das sieht man zum Beispiel daran, dass Zusatzprodukte auffällig im Sanitätshaus platziert werden. Wichtig ist in dem Fall, dass auch die optimalen Rahmenbedingungen für die Verkäufer, also die Prozesse und Abläufe, geschaffen werden. Die Verkäufer sollten auch dementsprechend qualifiziert werden und Weiterbildungen erhalten, denn es gehört mehr dazu, als das Produkt mit einem Preis zu versehen. In der Vergangenheit lag der Fokus ausschließlich auf dem Rezeptgeschäft. Das ist verständlich, denn wir bewegen uns auf einem Vergütungsmarkt. Heute ist aber Umdenken angesagt, gerade weil der Endverbraucher seine Einkaufsgewohnheiten verändert.
Welche Zielgruppen sollte der Fachhandel für Freiverkaufsprodukte besonders im Auge haben und hat sich die Kundschaft in den vergangenen Jahren geändert?
Der Fachhandel hat immer attraktive Produkte, um verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Generell sind alle Kunden, egal aus welchem Anlass oder mit welchem Anliegen sie in den Fachhandel kommen, die richtigen Zielgruppen für den Freiverkauf. Teilweise kämpft der Fachhandel gegen Discounter oder Onlineshops und man beobachtet, dass typische Sanitätshausprodukte in anderen Vertriebskanälen etabliert sind, zum Beispiel in Baumärkten. Aber der Kunde, der in den Fachhandel kommt, fordert Kompetenz, Beratung und Persönlichkeit ein. Es ist ihm wichtig, von einem Menschen empfangen und durchgängig kompetent beraten zu werden. Deshalb sucht er den Fachhandel auf und geht nicht zum Discounter. Auffällig ist, dass sich die Kundschaft nicht nur verändert hat – sie hat sich weiterentwickelt. Heute sind die Kunden unabhängig vom Alter informierter. Auch Senioren informieren sich im Internet. Mit ihren Informationen kommen sie in den Fachhandel.
Welche Produkte oder Dienstleistungen werden im Freiverkauf besonders unterschätzt?
So klar hebt sich kein Produkt heraus, das unterschätzt wird. Alle Produkte und auch alle Serviceleistungen wie Montagen haben das Potenzial, im Sanitätshaus zum Freiverkauf angeboten zu werden.
Welche Strategien haben sich bewährt, um Kunden für Freiverkaufsprodukte zu interessieren?
Der Dialog mit dem Menschen ist wichtig, verbunden mit aktivem Zuhören und auch das Fragenstellen. Die Fragen müssen klar und ohne Fremdwörter oder Fachbegriffe sein. Der Verkäufer spricht wenig, der Kunde dafür umso mehr. So erfährt man persönliche Aspekte, die Bausteine für die Strategie des Beratungsgesprächs sind. Auf diese Weise wird die Kaufentscheidung vorbereitet.
Welche Events oder Aktionstage eignen sich, um den Freiverkauf anzukurbeln?
Alles, was sich saisonal und thematisch einfach gut verbinden lässt, zum Beispiel im Sommer das Thema „Reise und Bademode“ oder im Winter das Thema „Hautpflege und Unterwäsche“. Im Frühling könnte der Fokus auf schönen Beinen, freiverkäuflichen Kompressionsstrümpfen wie zum Beispiel mJ-1 oder auf Fitness- und Blutdruckmessgeräten liegen. Das passt thematisch wunderbar zusammen. Am Tag der Beingesundheit könnte der Fachhändler das Venenmessen anbieten und Tipps für den Alltag geben, zum Beispiel zu den An- und Ausziehhilfen oder zur Hautpflege, die von Trägern von Kompressionsstrümpfen oft zu selten betrieben wird. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Die Aktionen sollten natürlich immer zur Sortimentsstruktur des Hauses passen. Wenn ich etwas als Fachhändler nicht anbieten kann, würde ich mir einen Kooperationspartner suchen, um das Thema rund zu machen.
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Was kann der Fachhandel tun, um die Wartezeit in seinem Verkaufsraum für Kunden oder potentielle Kunden zu verkürzen?
Eine attraktive, farbenfreundliche und ansprechende Raumgestaltung ist das Wichtigste. Im Wartebereich sollten verschiedene Sinne angesprochen werden, denn der Kunde möchte interessante Dinge sehen und erleben. Da können Broschüren liegen oder auch Bildschirme aufgebaut sein. Beim Filmeabspielen ist wichtig, dass die Lautstärke richtig eingestellt ist und die Dauer eines Films kürzer als die durchschnittliche Wartezeit ist. Andernfalls verpasse ich als Anbieter den Effekt, den Kunden im Wartebereich thematisch abzuholen, wenn ihm das Ende des Films entgeht. Wir Menschen sind alle neugierig und fassen alles gerne an. Deshalb sind Produktmuster oder auch Tester hier richtig. Über die haptische Erfahrung kann der Verkäufer ideal ins Gespräch einsteigen. Wenn er beispielsweise beobachtet, dass der nächste Kunde an einer Cremeprobe riecht, kann er sagen: „Ich habe beobachtet, dass Sie an unserem Testprodukt geschnuppert haben. Was ist Ihnen denn aufgefallen?“ Und schon ist er mit dem Kunden in einem Verkaufsgespräch.
Mit welchen Fragen können Verkäufer im Gespräch zu einem Freiverkaufsprodukt überleiten?
Man kann den Kunden einladen, sich etwas näher anzusehen, zum Beispiel das Thema des Monats wie den neuen Reisestrumpf. Natürlich sollte der Verkäufer hinterher Interesse an der Meinung des Kunden zeigen. Eine andere Möglichkeit ist, sich über offene Fragen Erfahrungen und Meinungen einzuholen und zum Thema Freiverkauf überzuleiten, zum Beispiel im Gespräch über eine Bandage. Hier könnte der Verkäufer den Kunden fragen, was er beruflich macht, welche Farben er gerne trägt oder was ihm wichtig ist, wenn es um Tragekomfort, Sicherheit oder Handhabung geht.
Worauf sollte beim Verkauf zusätzlicher Produkte eingegangen werden?
Ganz klar auf den Nutzen. Der Kunde fragt sich, was er davon hat, wenn er das Produkt jetzt und hier kauft. Hierbei zahlt sich aktives Zuhören und Produktfachwissen beim Verkäufer aus. Erwähnt der Kunde, dass er es gerne einfach hat, verbindet der Verkäufer dies mit dem Nutzen der leichten Handhabung, zum Beispiel mit einer Anziehhilfe. Er könnte sagen: „Sie haben sich für Kompressionsstrümpfe entschieden. Diese Anziehhilfe, die ich Ihnen zeige, überzeugt durch ihre unkomplizierte Anwendung. Mit ihr sparen Sie jeden Morgen Zeit.“ Oder: „Mit diesem griffigen Handschuh können Sie Ihre Kompressionsstrümpfe sehr gut anlegen und das Gestrick optimal verteilen. Das ist jeden Tag pure Erleichterung für Sie.“ Mit dem genannten Nutzen wird so das Freiverkaufsprodukt verkauft.
Wie können Mitarbeiter im Sanitätshaus mit einer ablehnenden Haltung des Kunden umgehen?
Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass die ablehnende Haltung nichts Persönliches ist, sondern es geht in dieser Situation um das Produkt. Der Verkäufer kann in einer solchen Situation nachfragen, zum Beispiel: „Ich merke, irgendetwas stört Sie oder Sie zögern noch. Was genau fehlt Ihnen?“ Das wäre eine Art Rückversicherung oder eine Chance, um Missverständnisse zu beheben. Lehnt der Kunde den Kauf ab, muss der Verkäufer akzeptieren, dass sich der Kunde dagegen entschieden hat. Das Produkt ist deswegen nicht schlecht. Beim nächsten Gespräch kann es wieder anders laufen. Falls eine ablehnende Aussage in Richtung Preis kommt, sollte der Verkäufer fragen, was dem Kunden noch fehlt, um das Produkt für den genannten Preis zu kaufen. Hier besteht noch die Chance, weitere Argumente zu formulieren, damit der Nutzen beim Kunden ankommt. Oftmals ist der Preis eine Ausrede. Hier kann der Verkäufer sagen: „Ich merke, Sie brauchen noch Zeit für Ihre Entscheidung. Ich gebe Ihnen noch einmal Prospektmaterial und eine Probe mit.“ Zu gekauften Kompressionsstrümpfen kann ein Waschmittelmuster mitgegeben werden. Es wäre aber zu wenig, den Tester nur in die Tüte zu legen, ohne etwas dazu zu sagen. Der Kunde muss die Wertigkeit des Geschenkes erkennen. Daher sollte er aktiv eingeladen werden, das Produkt zu testen und das nächste Mal von den Erfahrungen zu berichten.
Discounter bieten manchmal Produkte im Bereich Gesundheit – wie Stützstrümpfe oder Blutdruckmessgeräte – an und das zu einem sehr günstigen Preis. Auch Onlineshops zählen zu den Wettbewerbern des Fachhandels. Wie geht er am besten damit um?
Hat der Verkäufer das Gefühl, dass der Kunde lieber im Discounter oder online kauft, kann er ihn nach seiner Erfahrung fragen: „Wie empfinden Sie die Beratung im Discounter?“, „Aus wie vielen Produkten, Ausführungen und Farben konnten Sie wählen?“ Oder er fragt: „Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Service des Hauses gemacht?“ Die Herausforderung besteht darin, sich nicht zu rechtfertigen im Sinne von: „Wir sind ausgebildet und geschult. Darüber hinaus haben wir mehr Auswahl.“ Mit der richtigen Fragestellung kommt der Kunde selbst zu der Erkenntnis, dass er im Fachhandel richtig ist. Auch wenn der Discounter die Reisestrümpfe für wenige Euro „rausschmeißt“, erkennt der Kunde den Nutzen für das Produkt im Fachhandel. Für den Fachhandel bedeutet dies: Er muss eine durchdachte Sortimentsstrategie fahren und sein Personal fit zum Verkaufen machen. Verkaufen bedeutet, auch mit Gegenargumenten oder kritischen Gesprächen umgehen zu können.
Was ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel für mehr Erfolg im Freiverkauf?
Der Erfolg liegt im Tun.
medi unterstützt den Fachhandel mit einem vielfältigen Seminarangebot. Welche Seminare empfehlen Sie?
Ich empfehle unsere Seminare, die sich mit der Kommunikation und mit Kundengesprächen befassen, zum Beispiel unser Seminar zum Zusatzverkauf.
Haben sich die Inhalte Ihrer Seminare in den letzten Jahren verändert? Was sind die Schwerpunkte?
Natürlich verändern sich die Seminare immer wieder, um sie den aktuellen Bedingungen und Ansichten anzupassen. Wir bieten Seminare, die explizit die Führungskompetenz fördern oder die Mitarbeiter fit für den Verkauf machen. Darüber hinaus vermitteln mehrere Seminare Basis- und Hintergrundinformationen in den Bereichen Phlebologie, Lymphologie, Orthopädie und Footcare. Als spannende Ergänzung empfinde ich die Inhouse-Seminare, die individuell auf den Fachhandel zugeschnitten sind. Die Mischung macht’s.
Frau Neugebauer, vielen Dank für das Gespräch.
Hier finden Sie weitere Informationen zu unseren mJ-1 Strümpfen.
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